Stress macht nicht nur krank. Stress macht doof!

Stress macht nicht nur krank. Stress macht doof!

20. März 2022

Kurz vor einer wichtigen Abgabe, einer Präsentation, einem Termin beim Vorstand oder irgendeiner anderen Situation, in der es für uns gefühlt um Kopf und Kragen geht, sind wir im Stress. Okay, für diese Feststellung braucht es diesen Artikel nicht wirklich. Soweit so gut. Was wir in solchen Situationen aber eher nicht auf dem Schirm haben, ist, was Stress mit uns macht … Stress macht nämlich nicht nur blöd, er lässt uns zusätzlich zum Arschloch mutieren. Mit anderen Worten, wenn es wirklich wichtig wird, werden wir zu dämlichen Arschlöchern, ohne es zu merken. Wie doof ist das denn?

Schauen wir uns zunächst mal an, wofür Stress von der Evolution eigentlich mal gedacht war und wo die Stressauslöser im Hirn sitzen.

Stress ist ein Programm, um unser Überleben unter Lebensgefahr zu sichern. Aha … Nun sind wir in unserer modernen Arbeitswelt eher selten direkt in Lebensgefahr. Zumindest nicht in Bürojobs. Und es ist eher selten, dass wir unser Leben im direkten Kampf verteidigen müssen. Und ich spreche hier nicht über den Kampf, wer aktuell dran ist, die Spülmaschine auszuräumen. Stress ist für Kämpfe auf Leben und Tod gedacht. Oder zumindest mal für Kämpfe, die um wichtige Ressourcen gehen wie Wasser, Nahrung oder eine sichere Behausung. Spülmaschine ausräumen oder eine Präsentation zu halten, gehört nicht wirklich dazu.

In dem Moment, in dem wir unter Stress geraten, ist ein evolutionsbiologisch sehr alter Teil unseres Gehirn am Start: die Amygdala. Sie ist unter anderem für Kampf, Flucht und tot stellen verantwortlich. Und da Gefühle, – zu denen auch Stressgefühle wie Angst und Wut zählen, – schneller am Start sind als logische Gedanken, arbeitet die Amygdala ausschließlich mit Gefühlen. Hat ja evolutionsbiologisch auch ganz gut funktioniert. Wenn nun die Amygdala, aus welchem Grund auch immer einen Stressor identifiziert hat, startet sie sofort ohne Mitspracherecht der höheren Denkfunktionen, das Stressprogramm. Dabei flutet sie unseren Körper mit Stresshormonen, die uns für Kampf, Flucht oder simples tot stellen bereit machen. Das Blöde ist, dass dabei Körperfunktionen, die für diese Tätigkeiten nicht gebraucht werden, runter geregelt oder ganz ausgeschaltet werden, z. B. das Sprachzentrum.

Stress ist für Flucht, Kampf und tot stellen gemacht

Wer sich schon mal gewundert hat, warum einem in bestimmten, meist stressigen Situationen keine schlauen Antworten einfallen oder bei einer Präsentation auf einmal alles weg ist: Das ist der Grund. Die Amygdala fährt Dein Stressprogramm. In unserer modernen Welt ein ziemlich dämliches Programm … Aber es ist ja auch kein modernes Programm und eher nicht für unsere Zeit gemacht. Gemacht ist es für unerwartete Treffen mit Säbelzahntigern oder mit feindlichen Stämmen. In solchen Momenten wäre eine Präsentation über die Vor- und Nachteile einer körperlichen Auseinandersetzung eher kontraproduktiv. Flucht, Kampf oder tot stellen waren damals die schlaueren Alternativen. Und der Witz ist: Wir stammen genau von den Steinzeitmenschen ab, die diese Programme perfekt am Start hatten. Wir stammen von denen ab, deren höhere Denkfunktionen unter Stress sofort Pause hatten: den Steinzeitfeiglingen. Übrigens hatten auch unsere Steinzeitverwandten schon sozialen Stress. Die hatten nämlich auch mal Schiss vor ihrem Häuptling. Wenn der sauer war, war das Risiko hoch, aus der Gruppe ausgeschlossen zu werden, was den sicheren Tod bedeutete. Oder es war einer dieser Typen, der nicht lange gefackelt und Dich wirklich einen Kopf kürzer gemacht hat. Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass sozialer Stress auch heute noch wunderbar funktioniert.

Natürlich ist nicht jede Situation gleich stressig. Mal flutet die Amygdala unser gesamtes System und spendiert uns damit das volle Stressprogramm mit Schnappatmung, Herzrasen und totalem Blackout. Und mal gibt es Stresshormone in verträglicher Dosierung. Dann ist Stress sogar produktiv. Wir sind wacher und wir haben richtig viel Energie: Die Dosis macht das Gift. Gegen den Stress hat niemand etwas einzuwenden. Dann sind wir ja auch noch Herr im eigenen Oberstübchen. Die Krux ist: Wir haben zunächst keinen bzw. nur wenig Einfluss auf die Dosierung.

Außerdem braucht unser Körper eine bestimmte Zeit, um Stresshormone auch wieder abzubauen. Zeit, die wir in unserem modernen Joballtag oft nicht haben. So bleiben oft ein paar Stresshormone im System zurück, die sich dann über die Zeit immer mehr summieren. Und wir werden immer dünnhäutiger … und leider auch immer blöder … Das ist inzwischen sogar wissenschaftlich erwiesen* .

Jeder kennt das von sich: Je mehr wir unter Druck stehen, umso unwirscher werden wir. Die dunkle Seite der Macht ergreift Besitz von uns. Wir werden immer mehr zu Reiz-Reaktionsmaschinen. Das Fatale: Mit steigendem Stresslevel sinkt unsere Fähigkeit, rational zu denken. Sehr schön übrigens in den Star Wars Filmen dargestellt, wenn Anneken Skywalker nicht mehr für die Argumente von Obi Wan zugänglich ist.

Was aber gegen dieses Steinzeitprogramm – den Stress – tun?

#1: Halte es mit Andreas Bourani: Hey, sei nicht so hart zu Dir selbst …

… Denn, hey, jede/r hat dieses Programm am Start. Also sei nicht so hart zu Dir, selbst wenn Du mal in den Steinzeitarschlochstressmodus fällst. Wichtig ist, dass Du auch wieder raus kommst und Dein Verhalten reflektierst und Dir eine Strategie fürs nächste Mal zulegst. So trainierst Du langsam, aber sicher, unter Stress rationaler zu funktionieren. Nichts anderes machen Soldat*innen, wenn sie Kampfsituationen immer wieder üben, damit ihre Verhaltensweisen automatisiert werden. Alles, was wir automatisieren, kann auch unter Stress abgerufen werden.

#2: Suche die Schuld nicht bei anderen oder den Umständen.

In dem Moment hast Du keine Möglichkeit mehr irgendetwas zu ändern. Es wird immer wieder ein nächstes Mal geben, denn die anderen und die Umstände können wir nicht ändern. Wir können nur unsere Reaktion ändern. Also: raus aus der Opferhaltung!

#3: Entspann Dich! Sorge immer wieder für Ausgleich und tue auch mal gar nichts.

Nicht in der Freizeit auch noch das volle Programm durchziehen. Einfach den lieben Gott einen guten Mann sein und die Seele baumeln lassen. Das reduziert in Kombination mit Sport Stress am effektivsten.

* https://www.derstandard.de/story/2000087284626/stress-macht-dumm

*https://www.pm-wissen.com/medizin/v/aa-23cqmxtk12112/

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