Gefühle müssen draußen bleiben! Oder nicht?

Gefühle müssen draußen bleiben! Oder nicht?

28. März 2022

Warum wir Gefühls- und Faktenebene trennen wollen, es aber nicht können.

Niemand hört mehr zu! Am besten stellen wir das fest, wenn wir eine Diskussion verfolgen, mit der wir nichts zu tun haben. Es dauert keine zwei Minuten, da ist uns klar: Die zwei Diskutanten reden eindeutig aneinander vorbei und keiner merkt es. Nur wir, die wir im Grunde unbeteiligt sind. Und genau das ist der Punkt: Wir sind nicht emotional involviert. Das ist einfach. Was aber, wenn wir mittendrin stecken in einer heißen Diskussion, die nur zu retten wäre, wenn einer einen Schritt zurück macht?

Jeder von uns hat sich schon einmal um Kopf und Kragen geredet. Und jeder von uns ist in einer Diskussion auch schon mal so richtig sauer geworden und hat sich oder den anderen gefragt, ob er nicht ganz dicht sei … Keine wirklich elegante Lösung und rhetorisch zumindest fragwürdig. Dabei ist die Lösung in den meisten Fällen ganz einfach: Erst mal Zuhören! Viele werden jetzt denken, das sei nicht das Problem, wenn man seinen Standpunkt vertreten will bzw. muss. Aber genau das ist ein klassischer Denkfehler, denn in den seltensten Fällen geht es um einen Standpunkt. Es geht um Gefühle. Und genau diese verhindern richtiges Zuhören.

In Diskussionen geht selten um Fakten. Es geht um Gefühle!

Im Grunde geht es immer nur um Gefühle, denn tatsächlich sind unserem Gehirn reine Fakten vollkommen egal. Ohne ein dazugehöriges Gefühl, und sei es noch so winzig, lässt unser Hirn Fakten einfach an sich vorbei rauschen. Erstaunlich, dass wir davon so wenig Ahnung haben, diskutieren wir doch gern auf der Faktenlage herum ohne dabei auf Gefühle zu achten. Gefühle sind schließlich sowas Unordentliches, etwas, das man nicht so leicht greifen kann … Und trotzdem sind sie da und bestimmen jede Diskussion. Außerdem sind uns Gefühle unheimlich, denn sie sind nicht objektiv bewertbar. Tatsächlich? Warum? So viele Gefühle haben wir im Prinzip gar nicht. Je nach psychologischer Strömung haben wir eine bestimmte Anzahl an Grundgefühlen. Ich gehe in diesem Kapitel von fünf Grundgefühlen aus: Freude, Wut, Angst, Ekel und Trauer. Das wars schon. Ist doch eigentlich recht übersichtlich. Alles, was wir sonst noch auf unserer so reichen Gefühlsskala benennen können, sind Unter- und Mischformen dieser fünf Grundgefühle. Hass ist beispielsweise eine Form von Wut, Liebe eine Form von Freude. Wem es lieber ist, der kann auch Freude gegen Liebe als Vokabel austauschen. Im Prinzip macht es keinen Unterschied. Liebeskummer ist Trauer, Prüfungsstress ist Angst und Arachnophobie ist eine Form von Ekel oder eine Mischung aus Angst und Ekel, je nach persönlicher Erfahrung.

Unsere Grundgefühle sind Freude, Angst, Wut, Trauer und Ekel

Alle Grundgefühle machen grundsätzlich Sinn, denn sie haben zu Neandertalers Zeiten unser Überleben gesichert. Wut war notwendig für Kampfhandlungen in jeglicher Form. Angst war das Gefühl, dass Dir gesagt hat, dass Wut jetzt nicht angebracht ist, sondern Flucht. Ekel war wichtig dafür, dass wir uns in Zeiten des Hungers nicht alles wahllos in den Mund stopften und Trauer ist wie Liebe/Freude einer der Baustoffe einer funktionierenden Gruppendynamik. Klingt sehr unpathetisch und das sind Gefühle eigentlich auch. Es ist erfahrungsgemäß in der Regel ein ungewohnter Gedanke, dass Gefühle unpathetisch sein sollen, schließlich wird uns in der Gesellschaft täglich das Gegenteil suggeriert. Gefühlsduselige Filme und hochtrabende Reden spielen mit unseren Gefühlen wie mit Jonglierbällen, wie soll man da pragmatisch mit den eigenen Gefühlen umgehen? Indem wir die Idee einmal von der anderen Seite betrachten: Wenn Filme, Reden, Politiker, Liebhaber und Idioten unsere Gefühle als Jonglierbälle nutzen, dann könnten wir diese bunten Bälle theoretisch auch für uns selbst einsetzen oder sie dem anderen einfach wegnehmen …

Mir ist durchaus bewusst, dass das nicht so einfach ist, aber wenn wir unsere Gefühlsebene immer zuerst klären würden, dann hätten wir wesentlich weniger nervenaufreibende Diskussionen. Das Dumme ist, dass wir unsere eigenen Gefühle erst einmal klären müssen, um die des Gegenübers überhaupt aushalten zu können. Das bedeutet auch, ich muss meine eigene Gefühlsebene erst einmal klären, bevor ich überhaupt zuhören kann! Beispielsweise ist einer der beliebtesten Fehler in Changeprozessen, die Zweifler als Reichsbedenkenträger abzutun und ihnen nicht zuzuhören. Auszuführen, dass die Reichsbedenkenträger Angst haben und in ihrer Persönlichkeit in Frage gestellt werden, führt hier zu weit (aber gern für einen neuen Artikel im Hinterkopf behalten). Die Frage ist: Warum tun wir als Zuhörer bzw. Befürworter des Changeprozesses diese Menschen ab? Weil wir Angst haben! Angst, dass etwas Wahres dran sein könnte an ihren Ausführungen! Angst, dass uns die Argumente wertvolle Zeit kosten, die wir nicht haben. Angst, dass unsere eigene Persönlichkeit in Frage gestellt wird und, und, und.

Warum reden wir die Angst der Anderen klein? Das führt zu gar nichts!

Vor einer Diskussion müssen wir uns zunächst mal um unsere eigene Gefühlslage kümmern und uns fragen „Wo stehe ich eigentlich?“. Und das meine ich nicht im Sinne der Fakten, sondern gefühlsmäßig, dann können wir viel souveräner zuhören. Trotzdem wird irgendwann in einer Diskussion der Punkt kommen an dem wir uns nicht mehr halten können. Die Kunst ist: es doch zu tun, sich zurückzuhalten, sich wieder zu fragen, wo stehe ich gerade gefühlsmäßig und wo steht mein Gegenüber. Und manchmal müssen wir eine andere Meinung auch einfach mal gleichberechtigt neben unserer Meinung stehen lassen. Wer das kann, der kann auch zuhören.

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