Back to normal ist nicht normal …
Verrückt, was durch Corona plötzlich möglich wurde. Bitte nicht falsch verstehen, die Pandemie war alles andere als ein Kindergeburtstag und ich hätte mir auch andere Zeiten gewünscht, aber die Dinge sind eben wie sie sind. Und jetzt gehts zurück zur Normalität. Wir sagen alle dem Homeoffice leise „Servus“. Die einen erleichtert die anderen mit einer Träne im Knopfloch … Und mitten drin die Führungsriege, die sich, egal für welches Arbeitsmodell sie sich entscheidet, eine unpopuläre Entscheidung treffen wird. Dabei muss das gar nicht sein.
Apple ordert seine Mitarbeitenden ins Büro
Apple hat es in den letzten Wochen ziemlich deutlich vergeigt. Denn die Apple-Oberen haben einfach so entschieden, dass ab sofort hybrid gearbeitet wird. Aber nicht flexibel. So weit kommt’s noch. Nein, bei Apple gibt es feste Bürotage und feste Homeofficetage. Fertig aus. Ganz modern diktiert. Niemand kann sich da beschweren, denn es ist ja für alle etwas dabei. So die Führungsetage. Ein klassischer Kompromiss: Alle sind am Ende unzufrieden … Aber hey, der Austausch während der Büroarbeitstage ist durch nichts zu ersetzen … Tatsächlich? Die Applemitarbeitenden sind da offensichtlich ganz anderer Meinung. Das haben sie in einem offenen Brief (Link: https://appletogether.org/hotnews/thoughts-on-office-bound-work) an die Chefetage kundgetan. Über 3000 Mitarbeitende haben zum Zeitpunkt der Artikelerstellung bereits unterzeichnet. Ihr stärkstes Argument: Wer Produkte für Remotearbeit produziert und selbst nicht daran glaubt, hat ein Problem. Da ist was dran.
Airbnb bietet seinen Mitarbeitenden maximal Freiheit
Das es auch anders geht zeit Airbnb. Dort hat man sich für einen anderen Weg entschieden. Das Unternehmen lässt den Mitarbeitenden die Wahl. Ein paar Tätigkeiten sind noch ausgenommen. Aber man arbeitet bereits an entsprechenden Lösungen. Darüber hinaus sind Überlegungen im Gange, wie Mitarbeitende auch dauerhaft in andere Länder ziehen könnten. Das funktioniert aus steuerlichen Gründen aktuell noch nicht. Trotzdem ist das Signal der Geschäftsführung: Es ist Eure Entscheidung und wir stellen, was möglich ist, bereit. Und an dem, was noch nicht geht, arbeiten wir.
Und natürlich gibt es auch noch die Firmen, die ihre Belegschaft einfach wieder zurückbeordern und da weiter machen, wo sie vor der Pandemie aufgehört haben … Kann man machen. Darf sich dann aber nicht wundern, wenn die Mitarbeitenden der Führung kein Halleluja singen.
Unstrittig ist, dass es Berufe gibt, bei denen Homeoffice nicht machbar ist. Bürojobs gehören hier definitiv nicht dazu. Erstaunlich, dass ausgerechnet in diesem Bereich viele Arbeitgebende maximal unflexibel sind und ihre Aufgabe als Leader nicht begreifen.
Führen bedeutet nicht, anderen zu sagen, was sie zu tun und zu lassen haben. Führen bedeutet, Menschen die Mittel physisch und psychisch zur Verfügung zu stellen, die sie brauchen, um ihren Job optimal ausführen zu können.
Physisch ist das in der Regel eher unproblematisch. Schreibtisch, PC und Büroutensilien sind nicht so schwer zu organisieren … Bei der optimalen Büroumgebung scheitern aber schon die Ersten. Einige schwören auf Großraumbüros, andere lassen sich von kargen Einzelbüros nicht abbringen. Was dabei aber in der Regel vergessen wird, sind die Mitarbeitenden. Denn Menschen sind nun einmal unterschiedlich. Die einen blühen im Großraumbüro auf und laufen zu Höchstform auf, während die anderen eingehen wie ein Primelpott, der ein Jahr kein Wasser gesehen hat. Die Vorteile des Großraumbüros haben eben nur Vorteile für die Menschen, die diese Atmosphäre mögen. Introvertierte leiden in so einer Umgebung, da sie keinerlei Rückzugsmöglichkeiten haben. Und wenn Menschen leiden, leidet auch die Leistungsfähigkeit. Noch schlimmer: Menschen die leiden lassen andere Menschen mehr oder weniger mitleiden. Dabei spielt es keine Rolle, ob dies absichtlich oder unabsichtlich geschieht. Wir sind nun einmal soziale Wesen und fühlen mit Anderen mit … Da kann die gute Großraumbürostimmung ganz schnell den Bach runter gehen. Und nix ist mehr mit den gepriesenen Vorteilen … Umgekehrt verhält es sich mit Einzelbüros genauso. In solchen Situationen neigen viele Führungskräfte dazu ihren Mitarbeitern zu erzählen, sie seien zu negativ und müssten an sich arbeiten. Einer introvertierten Person in einem Großraumbüro zu erzählen, sie müsse nur die positiven Aspekte sehen und an sich arbeiten ist wie einem Fisch in der Wüste zu erzählen, dass er sich auf den positiven Sonnenschein konzentrieren soll …
Es gibt keine Lösung die für alle passt
Der Sprung zum Homeoffice ist im Vergleich übrigens nicht weit. Es gibt Menschen, die lieben es autark im Homeoffice zu arbeiten. Andere eben nicht. Und wiederum andere mögen ein Wechselmodell. Das sind vermutlich sogar die meisten, wenn man den diversen Umfragen während der Corona-Pandemie Glauben schenken darf. Jetzt ist die Preisfrage: Was tun?
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der größte Teil der Arbeitnehmenden selbst weiß, wie die jeweilige Arbeit zu schaffen ist. Erstaunlich, dass viele Führungskräfte davon nicht so ganz überzeugt zu sein scheinen. Denn wenn sie davon überzeugt wären, würden sie ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit einräumen zu arbeiten, wann und von aus sie wollen … Tatsächlich ist es doch so: Angenommen die Mitarbeitenden sind motiviert, einen guten Job zu machen und sie wissen, was dafür zu tun ist, dann kann man doch davon ausgehen, dass sie sich so verhalten, wie es nötig ist, um ein gutes Ergebnis abzuliefern. Ist das nicht der Fall, dann habe ich als Führungskraft wohl bei der Auswahl meiner Mitarbeitenden einen Fehler gemacht … Ja, ja, ich kann schon hören, wie viele jetzt stöhnen, dass sie sich ihre Mitarbeitenden ja nicht aussuchen können. Das stimmt. Aber sind die Mitarbeitenden wirklich so ignorant und unmotiviert, dass es ihnen egal ist, ob sie schlechte Arbeit abliefern? Und ja, man muss zuerst einmal einen Vertrauensvorschuss geben und loslassen …
Vertrauen ist keine Einbahnstraße
Vertrauen ist hier übrigens das Zauberwort. Vertrauen ist nämlich keine Einbahnstraße. Viele Unternehmen und damit deren Führungsriege setzen voraus, dass die Mitarbeitenden ihnen vertrauen. Warum sollten sie das tun? Warum müssen Führungskräfte das Vertrauen der Mitarbeitenden nicht verdienen? Wenn es dann darum geht, das gleiche Vertrauen ihren Mitarbeitenden zu gewähren, dann sieht die Sache schon ganz anders aus. Oft werden Mitarbeitende nicht in die kleinsten Unternehmensentscheidungen eingebunden, sondern einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Geschweige denn, dass man ihnen zutraut, von zu Hause aus auch wirklich zu arbeiten. Wenn wir mal ganz ehrlich sind, sind das Verhältnisse wie im Kindergarten oder schlimmer …
Ich kann mich noch gut an meine Zeit im Unternehmen erinnern. Da wurde Homeoffice grundsätzlich mit einem freien Tag gleichgesetzt. Und so wurde man auch von Vorgesetzten und dadurch auch von Kolleg*innen behandelt, als hätte man sich einen freien Tag erschlichen. Zusätzlich wurde dieses Privileg nur jenen gewährt, die hartnäckig drum kämpften, um danach geächtet zu werden. Da nicht alle in den Genuss kamen, entstand auch schnell Unfrieden unter den Kolleg*innen. Schließlich wurde das Homeofficeprivileg mit dem Argument, das stifte Unfrieden wieder gestrichen. Ergebnis: Tatsächlich Unfrieden im Kollegium … Aber die Führungskraft hatte ihre Ruhe. Wie praktisch … Preisfrage: An wem hat es gelegen, dass es nicht geklappt hat. Na klar: An der Führungskraft. Vertrauen vorlegen und vorleben hat in meinem Fall damals überhaupt nicht funktioniert. Man stelle sich mal vor, die damalige Führungskraft hätte allen Kolleg*innen die Möglichkeit zum Homeoffice gegeben. Einfach mit der Prämisse, wann die Telefone in welchen Zeiten besetzt sein müssen und mit der Maßgabe, wie viele Personen anwesend sein müssen. Den Rest hätten die Kolleg*innen unter sich klären können … Mehr braucht es unter Erwachsenen doch gar nicht. Oder?
Und genau an dieser Maßgabe scheitert Apple so kläglich. Ausgerechnet in den Bereichen, in denen die eigenen Produkte das remote Arbeiten ganz leicht machen …
Grundsätzlich gilt: Wer selbstständig arbeitende und denkende Mitarbeiter*innen will, darf sich nicht wundern, wenn sie eben dies tun … Solche Menschen werden sauer, wenn man ihnen die Selbstständigkeit verwehrt. Das Ende vom Lied sind frustrierte Mitarbeiter*innen die sich über kurz oder lang einen neuen Job suchen. Indem nicht nur von ihnen verlangt wird, selbstständig zu denken und zu handeln, sonder wo dies auch maximal unterstützt wird.
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